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Die Saat der fairen Preise

von | 6. Feb 2021 | Weltlädeli

Acht Eine-Welt-Engagierte besuchten ihre Handelspartner
in Peru und sahen einen Traum: Eine gerechtere Welt ist möglich

von Willi Moosmann

Das hatte niemand von uns gedacht, als unsere achtköpfige Reisegruppe aus dem südbadischen Murg zu jenen aufbrach, deren Kaffee wir in unserem Weltladen täglich anbieten: zu den Kaffeebauern im Norden Perus. Doch am Ende der Reise waren wir uns einig: Einige Cent mehr für fair gehandelte Waren bewegen mehr, als wir uns bisher vorstellen konnten.

Seit mehr als zehn Jahren besteht eine Partnerschaft zwischen dem Kaffeeprojekt in Nordperu und vielen Initiativgruppen und Weltläden vor allem in Baden-Württemberg.  Der Kaffee wächst an den Hängen der Anden auf einer Höhe zwischen 600 und 1700 Metern in Mischkulturen mit Zitronen-, Orangen- und Avocadobäumen, Bananenstauden, Maniok, Zuckerrohr und Süßkartoffeln. Kaffee ist für die Kleinbauernfamilien zumeist die einzige Einnahmequelle. Seit einigen Jahren befindet sich der Weltmarktpreis für Kaffee im freien Fall und zwingt viele Familien zur Aufgabe der Kaffeekulturen und zur Abwanderung in die Städte. Der Verfall der Preise bedroht die Region.

Die 1991 gegründete Beratungsorganisation Pidecafé versucht, dies  zusammen mit dem Bauernverband Cepicafé zu verhindern. Bei Cepicafé sind derzeit 51 Genossenschaften Mitglied, in denen sich mehr als 2000 Kaffeekleinbauern und ihre Familien organisiert haben. Weitere Dorfgenossenschaften möchten sich anschließen. Pidecafé und Cepicafé beschäftigen fast ausschließlich einheimische Fachleute. Heike Teufel, Betriebswirtin aus Spaichingen, ist die Ausnahme: Als Entwicklungshelferin hilft sie bei Vermarktung und Unternehmensführung. Sie hat uns auf unserer Reise begleitet.

Die Begegnungen in den einzelnen Kooperativen waren überaus herzlich. »Es gibt keinen Reichen, der zu reich wäre, um auch von einem Armen zu lernen, und es gibt keinen Armen, der zu arm wäre, um auch dem Reichen etwas zu geben.« So beschloss der Bürgermeister in San Francisco im Distrikt Jilili seine Rede bei einem Empfang.

Wer in die Dörfer kommt, sieht die Früchte des fairen Handels für die Menschen. Langsam, aber stetig ersetzen die Familien ihre alten, rauchenden Lehmherde durch aufgemauerte Herde aus Stahlplatten mit Abzugsrohr. Jetzt müssen die Frauen viel weniger Holz sammeln. Und noch wichtiger: Die Häuser sind nicht mehr ständig voller Rauch, was viele, auch schwere Krankheiten verursacht. A propos Gesundheit: Auf dem Speisezettel der Familien steht die gesunde Ernährung ganz oben. Die meisten Dörfer haben inzwischen Gesundheitsposten, in denen lebensnotwendige Impfungen und sogar Vorsorgeuntersuchungen durchgeführt werden – auch viele Medikamente sind vorhanden. Stolz nennt der Geschäftsführer von Cepícafé, Santiago Lopez, die nackten wirtschaftlichen Zahlen, die dies möglich machen. Wurden 1997 nur eineinhalb Container (etwa 17,5 Tonnen) Rohkaffee vermarktet, so waren es im vergangenen Jahr 45, in diesem Jahr werden es 100 sein. Der erlesene Hochlandkaffee wird nach Deutschland, Holland, England, Italien, USA und Belgien exportiert. Zwischen 50 und 60 Prozent des Kaffees wird über den Fairen Handel vertrieben. Der Rest muss zu den üblichen Weltmarktpreisen verkauft werden. Der Preisunterschied ist riesig: Für einen Sack Kaffee (rund 46 Kilogramm) erhalten die Bauern auf dem Weltmarkt 53 US-Dollar, der Mindestpreis des Fairen Handels beträgt dagegen 126 US-Dollar. Dazu kommen noch bis zu 13 Dollar Biozuschlag.

Mit vier Strategien verbessern Pidecafé und Cepicafé die Lebensbedingungen der Kaffeebauern – nachhaltig und erfolgreich: Sie steigern die Qualität des Kaffee, fördern den biologische Anbau, unterstützen Alternativen zum Kaffee-Anbau und investieren in soziale Verbesserungen.

»Der erste Grundsatz und der besondere Ehrgeiz der Beratungsorganisation«, so der Geschäftsführer von Pidecafé, Jorge Calle, »ist eine optimale Kaffeequalität. Die jungen Agrartechniker und -ingenieure, die uns in die verschiedenen Dörfer begleiteten, werden ordentlich bezahlt und sind hochmotiviert. Sie sind in der Regel – meist mit dem Motorrad – drei Wochen des Monats in den Kooperativen vor Ort und eine Woche im Büro. Qualität ist auch das »Evangelium« von Alejandro Guerrero, der uns in der Kooperative Conta die Kaffeeaufbereitungsanlage seines Musterbetriebes zeigt und durch die Pflanzschule führt. Um dem Pilzbefall vorzubeugen, hat er sein Keimbeet mit desinfiziertem Flusssand auf Stelzen gebaut. Er züchtet alte resistente Kaffeesorten und auch solche, die bis zu acht Monaten ohne Regen auskommen.

Heike Teufel zeigt uns die »Vorverschiffungsmuster«, die von Importeuren verlangt werden, bevor sie große Mengen Kaffee bestellen: 300 Gramm grüne Kaffebohnen dürfen im fairen Handel höchstens 10 bis 12 defekte Bohnen beinhalten, worauf auch das Fairhandelshaus gepa in Wuppertal größten Wert legt. Das ist die Bedingung für einen Gourmetkaffee. Für den normalen Kaffee sind bis zu 23 defekte Bohnen erlaubt.

Überzeugend ist auch das Engagement der Campesinos im Bereich des Bio-Anbaus. Bedenkt man, dass der Ertrag im konventionellen Anbau mit chemischem Dünger bei 80 Sack pro Hektar liegt, beim organisch-biologischen dagegen bei nur 30, mag die Entscheidung nicht so leicht sein. Doch Frauen drängen ihre Männer häufig zum biologischen Anbau, weil ihnen gesundheitliche Aspekte wichtig sind. Der Agraringenieur Felix Suarez Elias ist bei Pidecafé fast von Anfang an dabei: »Wir verwenden keine Chemie, benötigen dafür aber mehr Arbeitskraft. Unsere Hoffnung ist der gerechte Preis.« Die Erfahrungen bei der Kompostierung, den organisch hergestellten Flüssigdüngern und Insektiziden werden in Arbeitsgruppen der Bauernkooperativen ausgetauscht und ausgewertet. Nicht zuletzt dadurch ist Peru zum zweitgrößten Biokaffee-Exporteur der Welt aufgerückt.

Das Überangebot an Kaffee und der Preisverfall macht die Suche nach Alternativen zum Kaffeeanbau unvermeidlich. Ein erster Erfolg in Piura: 600 von Eseln herbeigeschleppte Zuckerrohre geben 1800 Liter Zuckerrohrsaft und schließlich 220 Kilogramm kristallisierten braunen Rohrzucker. Das Endprodukt geht in den Export nach Europa. Der Vorteil dieses neuen Pilotprojektes: Es bringt den Kaffeebauern das ganze Jahr hindurch ein Einkommen.

Doch Rohrzucker ist nicht die einzige Alternative zum Kaffee-Anbau: Mit Fischzucht, medizinischen Heilpflanzen, Gewürz- und Kräuterkulturen, Produktion von Marmelade und Gemüsegärten steuern die Bauern der großen Mangel- und Fehlernährung entgegen und erzielen auf den heimischen Märkten zusätzliche Erlöse. Die Präsidentin des Mütterclubs von Sicchezpampa berichtete, wie die Frauen – unterstützt von Pidecafé – an einem staatlichen Wettbewerb teilgenommen und den ersten Preis für ihr Gemüseprojekt gewannen: 600 Dollar.

Ein wichtiger  Aspekt ist die Solidaritätsarbeit. Das  Ziel von Pidecafé ist eine umweltverträgliche, sozial gerechte und wirtschaftlich tragfähige Entwicklung. Auffallend ist die starke Einbindung der Frauen, die »Hand in Hand mit den Männern« neue unkonventionelle Wege mittragen oder selbst – wie in Yamango – den Anstoß zur Gründung der Kooperative geben. Immer mehr stellen auch Kommunen Agraringenieure ein und fordern den »runden Tisch«, um der Landflucht entgegenzuwirken. Gemeinsam mit Pidecafé fördern sie soziale Projekte wie Gesundheitsstationen oder Bibliotheken. »Die  Menschen in der Kaffeeanbauzone fühlen sich endlich ernst genommen«, konstatiert ein Mitarbeiter von Cepícafé.

Viele Menschen, die in Deutschland fair gehandelte Produkte kaufen, wollen etwas Gutes tun. Was gerechte Preise wirklich bewirken, konnten wir im andinen Bergland im Norden von Peru auf Schritt und Tritt erfahren: Junge Menschen schöpfen wieder Hoffnung. Sie erleben, dass es sich lohnt zu lernen und zu arbeiten. Fairer Handel schafft Visionen und spendet Energie für politisches Engagement, wirtschaftliche Kreativität und Experimentiergeist. Das ist weit mehr, als wir erwarten konnten.